Als phonetische Anverwandlung an das geflügelte Wort von der „Amour fou“ – jener verhängnisvollen, rasend/leidenschaftlichen Liebe, die auch der Theoretiker des Surrealismus, André Breton (1896-1966), schon als Überschrift für sein Hauptwerk zitierte, kommt der Titel der Ausstellung des Künstlerpaares Angie Thomann und Anton Herzl daher. Die Porzellankünstlerin Thomann und das Talentmulti Herzl befinden sich im Jahr 2020, also in der Zeitenmitte, die wir alle als sonderbare Zäsur erleben: Die von einem Coronavirus ausgelöste Lungenkrankheit Covid-19 grassiert auf allen Erdteilen und zwingt mit dem shut-down die Menschen in ein, zumindest für den Horizont der jeweiligen Lebensspanne, bis dato einmaliges Szenario, welches das gegenwärtige Veranstaltungsjahr gehörig durcheinander wirbelt: „L´Amour fou“ in einem Jahr, das einem leicht eine Interjektion wie „pfuh!“ entlocken mag: Zwanzigzwanzig.
Angie Thomann hat diese Situation vorbildlich mit der Erforschung und Verwirklichung neuer Ausdrucksmittel und einem daraus folgenden Höhenflug von ausdrucksvoller Produktivität in ihrer, nunmehr auf den Werkstoff Porzellan fokussierten Keramikkunst beantwortet. Einen Einblick in dieses bestechende Schaffen von Frau Thomann, als ästhetische Produktion von zeitloser Geste, mit welchem die Künstlerin die Herausforderung sozialer Distanzierung erwartungsgemäß beantwortet hatte, verbindet sich als kontrastreiche Vorgabe mit dem wilden Schaffen ihres Lebensgefährten Anton Herzl, dessen Produktivitätsgestus immer auch den Geist grüblerischer Reflexion erkennen lässt. Herzl hat schon während der Krise auf deren weiteren Verlauf projiziert und in einer figurativen Darstellung des Menschen – „Ein Sich Darappelnder“ – die Inspiration für die Zeit danach paraphrasiert.
Herzl, dessen künstlerische Arbeit immer auch als ein Derivat reflektierender Denkbewegungen zu verstehen ist, besteht traditionell tiefsinnig auf den exemplarischen Charakter von Kunst und wendet sich damit indirekt auch gegen die grassierenden Oberflächlichkeit selbiger und die, durch digitale Kultur unvermeidliche Bilderflutigkeit. Denn aus dem prothesenhaft/utopischen Projekt „Moderne Kunst“, habe sich in den letzten Jahrzehnten eine Art Gadgetismus, wie Herzl es nennt, entwickelt, der ähnlich wie die sich abflachende Fernsehprogrammatik, bestenfalls auf den „kurzen Effekt“ abziele und somit die Kunst einerseits zur Komplizin eines seichten Konsumismus, wie andererseits dem sinnentleerten Spekulationsmarkt werden lässt. Wobei die Kunst der Moderne bisweilen um das umfällt, was sie in ihren exzeptionellen Anfangsepochen, zum Beispiel als Expressionismus, Dadaismus, Surrealismus, etc., sehr wohl als Alleinstellungsmerkmal beanspruchen konnte: Ein kulturgeschichtlich relevantes Verweissystem zu sein, das auf die in der Gesellschaft verdrängten Potentiale vom menschlichen Leiden und insbesondere den Tod verweist, psychische Prozesse zu hinterfragen, die Existenzkatastrophe des Menschen insgesamt zu thematisieren, kritisches Denken heraus zu fordern und das Selbstverständnis des Alltags in Frage zu stellen. Dies und vieles mehr ginge dann eben verloren, wenn die Kunst sich darauf reduziert, einzig nach dem Muster kapitalistischer Mehrwertlogik zu funktionieren.
Herzls Helden sind oftmals Philosophen, deren Kernthemen der Künstler in wenigen Sätzen zu beschreiben vermag: Lacans Psychoanalyse, Heinz von Försters Radikaler Konstruktivismus, Baudrillards Analyse unserer Medienrealität, Zizeks Parallaxe, zitiert Herzl im Angesicht seines künstlerischen Produktion, die sowohl jene „Denkers“als auch die jeweilige Arbeiten des Duos Angie Thomann & Anton Herzl dem hochgeschätzten Publikum näher zu bringen versuchen.
Angie Thomann und Anton Herzl freuen sich darauf persönlich durch ihre Welt der Ob – und Abjekte zu führen, die eben auch von den verdrängten Dingen sprechen, also vom Träumen, von der Angst, von der Krankheit, vom Tode oder der Art Weise, wie wir das Verhältnis zwischen Realem, Imaginierten und Symbolischen verstehen möchten.
Die Künstler werden jeweils Dienstag und Donnerstag Nachmittag persönlich für Besucher für eine Führung durch die Ausstellung zur Verfügung stehen.
Herbert Lachmayer